Montag, 31. Juli 2017

Kollateral-Schaden: US-Sanktionen gegen Russland treffen die westeuropäischen Alliierten

Diana Johnstone

28. Juli 2017

Aus dem Englischen: Einar Schlereth


Wissen sie, was sie tun? Als der US-Kongress die drakonischen Sanktionen annahm, die vor allem auf die Entmachtung von Präsident Trump zielen und zu verhindern, dass sich die Beziehungen zu Russland verbessern, haben sie da realisiert, dass die Maßnahmen einer Erklärung für einen ökonomischen Krieg gegen die lieben europäischen „Freunde“ gleichkommen?

Ob sie es wissen oder nicht, so kümmert es sie offensichtlich nicht. Die US-Politiker sehen den Rest der Welt als Amerikas Hinterland, das ungestraft ausgebeutet, misshandelt und ignoriert werden kann.

Das Gesetz H. R. 3364 „Vermittels Sanktions-Gesetzen den Feinden Amerikas zu begegnen“ wurde am 25. Juli 2017 von allen außer drei Abgeordneten angenommen. Eine frühere Version wurde von allen bis auf zwei Senatoren angenommen. Die endgültige Annahme selbst bei einem Veto des Präsidenten ist sicher.

Die Raserei des Kongresses schlägt in alle Richtungen. Die größten Schäden werden wahrscheinlich Amerikas teure geliebten europäischen Alliierten treffen, vor allem Frankreich und Deutschland – die manchmal auch Konkurrenten sind, aber derlei krasse Überlegungen spiele keine Rolle in den geheiligten Hallen des US-Kongresses, die allein der Aufrechterhaltung der universalen Moral verpflichtet sind.‘

Ökonomische „Soft Power“ schlägt hart zu

Mit den US-Sanktionen kann jedes EU-Land, das Geschäfte mit Russland tätigt, in große Schwierigkeiten geraten. Insbesondere das neueste Gesetz zielt besonders auf jene Unternehmen, die an der Finanzierung des Nord Stream 2 beteiligt sind, eine Pipeline, die Deutschland mit dem dringend benötigten Naturgas aus Russland versorgen soll.

Ganz nebenbei, einfach nur um zu helfen, würden die US-Unternehmen mit Freuden ihr eigenes Fracking-Gas, zu viel höheren Preisen an die deutschen Freunde liefern.

Dies ist nur ein Weg, über den das Gesetz europäische Banken und Unternehmen mit lähmenden Prozessen und gigantischen Strafen belegen würden. Während die USA „freien Wettbewerb“ predigen, treffen sie ständig Maßnahmen, um den freien Wettbewerb auf internationaler Ebene zu verhindern.
Nach dem Deal vom Juli 2015, der sicherstellte, dass der Iran keine Atomwaffen entwickelt, wurden internationale Sanktionen aufgehoben, aber die USA behielten ihre früheren bei. Seither muss jedes ausländische Unternehmen oder Bank, die Handel mit Iran treiben wollen, gewärtigen, einen Brief von einer New Yorker Gruppe zu erhalten, die sich „Vereint gegen das atomare Iran“ nennt, in dem gewarnt wird, dass „es nach wie vor ernste legale, politische, finanzielle und rufschädigende Risiken gibt, in Verbindung mit Handel mit Iran, insbesondere in den Bereichen Öl und Gas“. Zu den genannten Risiken gehören Milliarden-US-Dollar-Strafen, Überwachung durch „zahllose Regulations-Behörden“, persönliche Gefahr, nicht ausreichende Versicherungen, Cyber-Unsicherheit, Verlust lukrativer Geschäfte, Schädigung des Unternehmens-Rufes und Sinken der Aktienkurse.

Die USA kommen mit solchen Gangster-Methoden durch, weil sich über die Jahre hinweg ein derart großes, obskures legalistisches Gestrüpp angesammelt hat, das in der Lage ist, seinen Willen der „freien Welt“ aufzuzwingen dank der Allgegenwart des Dollars, konkurrenzloser geheimer Daten-Ansammlungen oder schlicht durch Einschüchterung.

Europäische Führer reagierten empört auf die neuesten Sanktionen. Das deutsche Außenministerium sagte, es sei „unakteptabel, dass die USA mögliche Sanktionen als Instrument benutze, um den Interessen der US-Industrie zu dienen“. Das französische Außenministerium verurteilte die „Extraterritorialität“ der US-Gesetzgebung als ungesetzlich und kündigte an, dass „um uns selbst gegen die extraterritorialen Effekte der US-Gesetzgebung zu schützen, müssen wir daran arbeiten, unsere französischen und europäischen Gesetze anpassen“.

Tatsächlich hat in Frankreich bittere Feindseligkeit gegen die arrogante US-Aufzwingung ihrer Gesetze gegen andere stark zugenommen. Sie war Gegenstand eines ernsten Parlaments-Berichtes an die Komitees für auswärtige und finanzielle Angelegenheiten der französischen National-Versammlung am 5. Oktober vorigen Jahres zu dem Thema der „Extraterritorialität der amerikanischen Gesetzgebung“.

Extraterritorialität


Der Vorsitzende der Untersuchungs-Kommission, langjähriger Paris-Vertreter Pierre Lellouche, fasste die Situation folgendermaßen zusammen:

„Die Fakten sind sehr simpel. Wir sind konfrontiert mit einer extrem starken Mauer amerikanischer Gesetzgebung, deren präzise Absicht es ist, das Gesetz zu benutzen, um den Absichten des ökonomischen und politischen Imperiums zu dienen und ökonomische und strategische Vorteile zu gewinnen. Wie immer in den USA operiert das Imperium, dieser normative Bulldozer im Namen der besten Absichten der Welt, da die USA sich als ein „wohlgesinnte Macht“ ansehen, ein Land, das nur Gutes tut.“

Immer im Namen des „Kampfes gegen Korruption“ oder „Kampfes gegen den Terrorismus“ verfolgt die USA rechtens als rechtliche „US-Person“, was unter dem merkwürdigen amerikanischen US-Recht sich auf jedes Gebilde bezieht, das Geschäfte im Land der Freien betreibt, ob es eine amerikanische Tochter hat oder an der New Yorker Börse notiert ist oder einen Server in den USA benutzt oder einfach nur in Dollar handelt, was sich in großen internationalen Unternehmen nicht vermeiden lässt.

2014 willigte eine führende Bank Frankreichs, die BNP-Paribas, ein, eine ungeheure Strafe von beinahe neun Milliarden Dollar zu bezahlen, im Grunde, weil sie Dollar-Überweisungen mit Ländern tätigte, die mit US-Sanktionen belegt sind. Die Transaktionen waren nach französischem Recht vollkommen legal. Aber weil Dollars benutzt wurden, liefen sie über die USA, wo clevere Komputer-Experten die Nadel im Heuhaufen fanden.

Europäische Banken werden vor die Wahl gestellt, entweder Strafverfolgung, was mit allen möglichen Restriktionen und Strafen verbunden ist, bevor ein Urteil ergeht oder von teuren US-Firmenanwälte beraten zu werden in einer „Verständigung im Strafverfahren“, eine Kultur des US-Rechtssystems, das in Europa unbekannt ist. Es ist, wie wenn ein armer Teufel angeklagt wird, einen Mini-Markt beraubt zu haben, so fordern die Anwälte die riesigen Unternehmen in Europa auf, sich schuldig zu bekennen, um schlimmeren Konsequenzen zu entgehen.

Alstom, ein größeres Multi-Unternehmen, dessen Bahn-Abteilung Hochgeschwindigkeitszüge produziert, ist ein Juwel der französischen Industrie. 2014 wurde Alstom  unter Druck gezwungen vermittels US-Korruptions-Anklagen (wahrscheinlich Bestechungsgelder an ein paar Länder in der 3. Welt), seine Elektroabteilung an General Electric zu verkaufen.

Die dahinter steckende Anklage ist, dass durch solche angebliche „Korruption“ ausländischer Firmen, die US-Firmen Märkte verlieren. Das ist möglich, aber hier liegt keine praktische Gegenseitigkeit vor. Eine ganze Reihe von US-Geheimagenturen, die jedermanns private Kommunikation ausspionieren können, sind mit kommerzieller Spionage in der ganzen Welt beschäftigt. Als Beispiel operiert das Büro für Kontrolle von Auslands- Aktiva mit 200 Angestellten und einem Jahresbudget von 30 Mill. Dollar. Das vergleichbare Büro in Paris arbeitet mit 5 Angestellten.

Dies war die Situation im vergangenen Oktober. Die neueste Runde der Sanktionen kann europäische Banken und Unternehmen noch strengeren Konsequenzen aussetzen, besonders betreffs von Investitionen in die wichtige Nord Stream Gas-Pipeline.

Dieses Gesetz ist nur das neueste in einer Serie von US- gesetzlichen Maßnahmen mit der Absicht, die nationale gesetzliche Souveränität zu zerschlagen und eine globale Rechtsprechung zu schaffen, bei der jeder jeden wegen irgendetwas verklagen kann, wobei die ultimative Fähigkeit der Untersuchung und Durchsetzung bei den Vereinigten Staaten liegt.

Zerstörung der europäischen Wirtschaft
Über ein Dutzend europäische Banken (britische, deutsche, französische, holländische und schweizer) gerieten in Konflikt mit der US-Rechtsmoral, verglichen mit nur einer US-Bank: JP Morgan Chase.

Die USA nimmt die europåischen Kernländer aufs Korn, während ihr überwältigender Einfluss im nördlichen Rand – Polen, den baltischen Staaten und Schweden – die Europäische Union daran hindert, irgendwelche Maßnahmen (die einstimmig sein müssen) gegen die US-Interessen zu unternehmen.

Bei weitem der größte Fang in Onkel Sams finanziellen Fischfang-Expeditionen ist die Deutsche Bank. Wie Pierre Lellouche bei der Schluss-Anhörung der extraterritorialen Anhörungen im vergangenen Oktober warnte, kann das US-Vorgehen gegen die Deutsche Bank das Risiko bergen, das gesamte europäische Banken-System zu vernichten. Obwohl sie bereits hunderte Million Dollar  an den Staat New York bezahlt hatte, wurde die Deutsche Bank mit einer „Strafe von 14 Milliarden Dollar bedroht, obwohl sie nur fünf und eine halbe Milliarde $ wert ist. … Mit anderen Worten, wenn dies durchgesetzt wird, riskieren wir einen Domino-Effekt, eine große Finanz-Krise in Europa.“
Kurz gesagt, stellen die US-Sanktionen ein Damokles-Schwert dar, das die Wirtschaften der wichtigsten Handelspartner des Landes bedroht. Dies könnte ein Pyrrhus-Sieg werden oder einfacher gesagt, der Schlag, der die Gans tötet, die die goldenen Eier legt. Aber Hurrah, Amerika wird der Sieger in einem Ruinenfeld.

Die vormalige Justizministerin Elisabeth Guigou nannte die Situation schockierend und merkte an, dass Frankreich der US-Botschaft gesagt habe, dass die Situation „nicht zu ertragen sei“ und dass „wir standhaft bleiben müssen“.

Jacques Myard sagte, dass „amerikanisches Recht benutzt wird, um Märkte zu gewinnen und Konkurrenten auszuschalten. Wir sollten nicht so naiv sein und sollten endlich begreifen, was vor sich geht.“

Diese Untersuchung markierte einen Schritt vorwärts bei der französischen Bewusstwerdung und des Widerstands gegen eine neue Form von „Besteuerung ohne Vertretung“, wie sie von den USA gegen die europäischen Satelliten ausgeübt wird. Die Komitee-Mitglieder stimmten alle überein, dass etwas getan werden müsse.
Das war im vergangenen Oktober. Im Juni hatte Frankreich Parlamentswahlen. Der Vorsitzende der Kommission, Pierre Lellouche (Republikaner), Berichterstattung Karine Berger (Sozialistin) und Jacques Guigou (führender Sozialist) verloren alle ihre Sitze an unerfahrene Neulinge, die von der Partei „Die Republik marschiert“ von Emmanuel Macron rekrutiert wurden. Die Neulinge hatten es schwer, ihren Weg ins parlamentarische Leben zu finden und sie haben keine politische Erfahrung – z. B. kennen sie nicht den Bericht zur Extraterritorialität.

Was Macron angeht, so war er als Wirtschaftsminister 2014 gegen den Beschluss der damaligen Regierung und billigte die Übergabe der Alstom-Elektrik an General Electric. Er scheint nicht darauf erpicht zu sein, etwas zu tun, was die USA ärgern könnte.

Es gibt jedoch einige Dinge, die derart offenkundig unfair sind, dass sie nicht immer so weitergehen können.

Quelle - källa - source

2 Kommentare:

  1. Wunderbar ! Der Artikel beschreibt die Situation absolut richtig.

    Die USA sind bankrott und riskieren immer noch die dicke Lippe.

    Wenn sich die Europäer einig wären könnten sie die Aufforderung zu Sanktionen völlig ignorieren.
    Ein Bootsmann von der "Deutschen Seeschifffahrt" empfahl :" 50 Millione schnellscheißende Chinesen hinschicken und das Land dichtscheißen lassen !"
    Ich glaube er hatte Recht.

    MfG grillbert aus Hamburg.

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  2. Leider sind sich die EUropäer aber nicht einig.Europa ist übrigens ein Kontinent!Die EU nicht!Die Autorin hat die Trojanischen Pferde der VSA schon genannt.Mit denen gibt es kein eigenständiges EUropa.Manchmal ist das gut wie in der Migrantenpolitik aber schlecht wie im Gegeneinanderausspielen.Deutschland ist durch Merkel für den Nichtzusammenhalt der Mitgliedsländer der EU hauptsächlich verantwortlich.Sie hat dafür gesorgt das völlig unnötig europäisches Recht ausgehebelt wurde.Dublin und Schengenabkommen.Nun ist die EU zerstritten.
    EU muß ohne die Amis weiterkommen oder wieder zur EWG zurück.Mit den Amis als Strippenzieher-keine Zukunft!

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