Dienstag, 19. Mai 2015

Paula Slier und die Ukraine im Jahr 2015

Gedanken eines engagierten Laien
18. Mai 2015


Paula Slier wurde am 26. März 1973 in Südafrika geboren. Sie studierte Journalismus und  ist heute eine südafrikanische Fernseh-, Radio- und Printjournalistin und … Kriegsberichterstatterin. Ihr gehört eine Firma im Nahen Osten, genannt Newshound. Im Jahre 2012 startete sie Newshound Afrika, bezog in Johannesburg, Südafrika, ihre Räumlichkeiten. Sie ist auch der Büroleiter im Nahen Osten und Korrespondent für RT (RT – vormals Russia Today – ist ein russischer Auslandsfernsehsender, der seit dem Jahre 2005 ein nachrichten- und informationsorientiertes Programm ausstrahlt. Ca. 2000 Mitarbeiter machen ein Programm, dass weltweit von 700 Millionen Menschen gesehen wird.)

Ich sah in den vergangenen Jahren mehrere Beiträge von ihr. Alle zeichneten sich durch Mißachtung der Gefahren vor Ort, Authentizität  und den unbedingten Willen aus, über die Konflikte ausführlich zu informieren. Sie berichtete aus Syrien, aus dem Irak, vom Kampf der Peshmerga-Kämpfer, aus den Tunneln der Hamas, aus der Ukraine und aus Donezk. Diese Reportagen bleiben für mich unvergesslich weil sie es gut versteht, Informationen und emotionale Eindrücke zu verbinden und gekonnt zu zeigen.


Die RT-Korrespondentin Paula Slier, die in der Ukraine über die Waldbrände in der Nähe des Unglückreaktors Tschernobyl berichtete, mußte die Ukraine am 05.05. dieses Jahres fluchtartig verlassen, nachdem lokale Journalisten die Sicherheits-behörden aufgerufen hatten, sie festzunehmen. Zudem erhielt die RT-Reporterin zahlreiche Todesdrohungen. Denis Kanzansky, ein Journalist der Ukrainsky Tizhden (Ukraine Woche), veröffentlichte auf seiner Facebookseite:
“Die Mitarbeiterin des Kreml-Propaganda-Senders Russia Today [RT], Paula Slier, die lachend darüber berichtete, wie Selbstverteidigungskräfte ukrainische Soldaten mit Grad-Raketen bei lebendigem Leib verbrannten, läuft frei in unserem Land herum. Liebe Herren des ukrainischen Sicherheitsrates, das ist euer Versagen, diese Lumpen sollten nicht in unserem Land sein.”

Doch wie auf dem Video zu sehen ist, schreckt Paula Slier im Video aufgrund des lauten Abschussknalls der Raketen zusammen. Darin ein Lächeln zu interpretieren, erfordert schon sehr viel Fantasie und macht nur Sinn, wenn man zwanghaft versucht, eine Journalistin bloßzustellen. Gestern  (17.05.2015) um 10:00 Uhr wurde ihre neueste Dokumentation vorgestellt. Der Film heißt „119 lives unlived“ was wohl in etwa „119 Menschen haben ihr Leben ungelebt gelebt“  heißt.

Paula Slier ist Jüdin. Sie stammt ursprünglich aus Amsterdam. Bei der Renovierung des Stammhauses fiel den Arbeitern ein Karton in die Hände, in dem sich Briefe befanden, die ein Flip Slier an seine Eltern geschrieben hatte. Mitte 1942 versuchte er mit gekauften Papieren (17-jährig) dem Verderben in den Niederlanden durch Flucht in die Schweiz zu entgehen, wurde aber auf dem Bahnsteig verraten und kam statt dessen „per einfacher Fahrt“ nach Sobibor in Polen, wo er vergast wurde.

Durch die Briefe ihres jungen Verwandten wurde Paulas Aufmerksamkeit in Richtung Auschwitz, Treblinka und Sobibur gerichtet und sie begann sich weiter intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Insgesamt war sie diverse Male in Auschwitz, übernachtete sogar im Lager, um noch besser zu verstehen (Auschwitz war die Hölle und Auschwitz ist die Hölle), auch weil sie da feststellte, dass insgesamt 119 ihrer Verwandten in den Händen der Nazis starben. Einer ihrer Großväter und ein Neffe waren die einzigen Überlebenden der Großfamilie Slier. Unvergesslich wird mir bleiben, wie diese trauernde junge Frau weinend vor der Gedenktafel in Auschwitz steht und ihre Fingerspitzen über die eingravierten Namen ihrer ermordeten Verwandten streicheln läßt.

Ich zolle dieser jungen Dame meinen Respekt und mein Mitgefühl. Was muß in ihr vorgehen, wenn sie die Ukraine des Jahres 2015 betrachtet. Zur Erinnerung:
- Am 9. April 2015 wurde durch die Werchowna Rada das Gesetz zur Anerkennung der Organisation Ukrainischer Nationalisten und der Ukrainischen Aufstandsarmee (OUN-UPA) als "Kämpfer für die Unabhängigkeit der Ukraine im 20. Jahrhundert" verabschiedet, damit werden jene Männer und Frauen staatlich geehrt, die gemeinsam mit den deutschen Truppen gegen die Polen und die Rote Armee kämpften. Die Führer dieser Organisationen, Stepan Bandera und Roman Schuchewitsch, wurden dabei als Nationalhelden anerkannt. Der militärische Arm der OUN war die UPA. Ab 1942  wurde die UPA mit deutschen Waffen versorgt und bemühte sich, durch umfangreiche ethnische Säuberungen die Voraussetzungen für einen ethnisch reinen ukrainischen Staat zu schaffen. Den zwischen 1943 und 1944 von der UPA verübten Massakern fielen 90.000 Polen und zig tausende Juden zum Opfer. Auch gegen ukrainische Bauern und Arbeiter, die der Sowjetunion beitreten wollten, ging sie brutal mit Folterungen, Terroranschlägen und Hinrichtungen vor. Bis die Aufstandsbewegung im Jahr 1953 vollständig niedergeschlagen wurde, tötete die UPA rund 20.000 Ukrainer.

-  Am 20.April 2015 hat sich die ultra-nationalistische Gruppe „Ukrainische Aufständische Armee“ (UPA)  zu den Morden an dem ehemaligen Oppositions-politiker Oleg Kalaschnikow und dem Journalisten Oles Busina bekannt und weitere Morde an “anti-ukrainischen Elementen” angekündigt, wenn diese nicht innerhalb von 72 Stunde die Ukraine verlassen würden. Bis dahin häuften sich bereits mysteriöse Todesfälle rund um oppositionelle Politiker in der Ukraine.

- In einer Gesprächsrunde von Günter Jauch gab der ukrainische Botschafter in Deutschland Melnyk unumwunden zu, daß der Rechte Sektor und andere bekannte Neonazi-Organisationen in der Ostukraine Seite an Seite mit regulären Einheiten der ukrainischen Armee kämpfen. Er nahm sie sogar noch in Schutz und sagte, ohne ihre Hilfe hätten „die Russen“ noch mehr Territorium erobert. Jetzt wurden sie per Gesetz der Werchowna Rada und per Präsidentenerlass mit allen Rechten und Pflichten regulärer ukrainischer Streitkräfte ausgestattet. Allerdings interessiert es sie wenig was ihnen die Regierung zu sagen hat. Sie hören nur auf ihre Chefs und ihre Geldgeber, die Oligarchen.

- Der nationale Sicherheitsrat der Ukraine hatte bereits am 22.08.2014 das Bandera-Kreuz zum Symbol aller Militärformationen der Ukraine erklärt. Im 2. Weltkrieg war das eine Auszeichnung ukrainischer Faschisten und Angehöriger der SS-Division „Galizien“. Damit sind die Traditionslinien durch die Putschregierung definiert.

- Während der Westen die russischen Warnungen vor dem Vormarsch faschistischer Kräfte in der Ukraine als Propaganda abtut, bauen die Neonazis ihre Strukturen aus und nutzen den Bürgerkrieg dazu, sich für eine offene Machtübernahme zu rüsten. Und wer da im Westen glaubt, dass diese Extremisten nach einem Ende des Krieges in der politischen Bedeutungslosigkeit versinken werden, redet sich die Lage schön. Ihre derzeitige Unentbehrlichkeit als Bürgerkriegstruppe werden die Freischärler in politische Macht ummünzen wollen. Und das sind nun die Hätschelkinder des Westens, dem es angeblich nur um die Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten geht. Welchen Wert können solche Behauptungen haben, wenn man sich zur Durchsetzung politischer Ziele solcher Verbündeter bedient.

- Am 27.01. 2015 tönte es im Äther. »Die 1. Ukrainische Front und die Ukrainer befreiten an jenem Januartag vor 70 Jahren das Konzentrationslager (Auschwitz), es waren ukrainische Soldaten, sie öffneten die Tore des Lagers«, sagte der polnische Außenminister. Wie dumm oder wie antirussisch muß man sein, wenn man sich so äußert. Immerhin ist er ein Außenminister, zuständig für Kontakte seines Landes zu anderen Ländern. »Wie viele Verbände der Roten Armee setzte sich die Front, die unter dem Befehl des russischen Generals Pawel Kurotschkin stand, aus vielen Nationalitäten zusammen und bestand aus Russen, Ukrainern, Weißrussen, Georgiern, Armeniern, Aserbaidschanern und Angehörigen der zentralasiatischen Bevölkerungen und noch vielen anderen der mehr als 100 unterschiedlichen ethnischen Gruppen der Sowjetunion«, stellte der russische UN-Gesandte Tschurkin richtig. Es kämpften konkret 39 Nationalitäten mit der gleichen Staatsbürgerschaft. Was in der Zeit die Ukrainer veranstalteten siehe oben.

- Warschau ist sowieso einer der vehementesten Unterstützer der aktuellen ukrainischen Regierung und hatte auch den Putsch im Februar, der zum Sturz des gewählten Präsidenten Wiktor Janukowytsch geführt hatte, anerkannt. Während der ukrainische Präsident Petro Poroschenko persönlich von der polnischen Premierministerin Ewa Kopacz eingeladen wurde, hatte der Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin keine Einladung erhalten.

- Dazu gibt es kein kritisches Wort aus Deutschland. Zum politischen Amoklauf des Nachbarn bleibt Russland die Richtigstellung überlassen. Die „mächtigste Frau der Welt“ hat mit anderen Dingen zu tun.
Was soll so jemand wie Paula Slier davon halten?
Thomas

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