Dienstag, 18. Oktober 2016

Ägyptische Reise 2008


Einar Schlereth
17.Oktober 2016


Vor kurzem begann ich nach dem Artikel über meine Reise nach Ägypten zu suchen. Wusste nicht mehr, ob ich ihn auf deutsch oder schwedisch geschrieben hatte. Auch nicht, wo der publiziert worden ist. Auf meinen Blogs nicht gefunden und auch nicht auf Tlaxcala. Naja, am Ende im Archiv von Folket i Bild am 8. November 2008. Meine Vergesslichkeit ist phänomenal. Nun habe ich erst mal den schwedischen Text auf meinen Blog einarsprachenvaria gelegt und nun werde ich mich an die Übersetzung ins Deutsche machen. Denn das alte Ägypten hat eine faszinierende Geschichte und ist von ungeheurer Bedeutung für die Entwicklung Europas und der Welt gewesen. Kommt mit auf meine Reise.

Ägyptische Reise
Dies ist in etwa unsere Reiseroute: die Oasen Bahariya, Farafra, Dakhla und Kargha besuchten wir.


Ägypten war für mich ein alter Traum, den ich nie zu Ende zu träumen wagte. Denn ich hasse es, in Länder zu reisen, deren Sprache ich nicht verstehe und obendrein hasse ich es, als Tourist zu reisen – und dann noch mit einem Guide. Aber dann kam
Hesham Bahari, Verleger, Verfasser und Schriftsteller mit einem erschwinglichen Angebot einer Kulturreise nach Ägypten für Freunde des Verlages. Und da konnte ich einfach nicht nein sagen und ich bereue es nicht.

Wir waren eine kleine Gruppe von vier Frauen und vier Männern, die alle ein starkes Interesse an Land und Leute und ihrer groß-artigen Kultur hatten. Ich gönnte mir außerdem ein paar extra Tage in Kairo, bevor die eigentliche Reise begann. 

Kairo mit seinen 22 Millionen (obwohl genau weiß das niemand) – die Schätzungen schwanken von 9 bis 25 Millionen – ist wahrscheinlich jetzt die größte Stadt der Welt mit ihrer enormen Ausdehnung und ihrem wahnsinnigen Verkehr, bei dem man mit bestem Willen nicht irgendein System erkennen kann. Alle fahren kreuz und quer, überholen rechts oder links, verkehrt rein in Einbahnstraßen und fluchen auf die, die ihnen entgegen kommen, aber trotzdem sah ich bei meinem gesamten Besuch nur ein unbedeutendes Unglück. Aber die Stadt hat dennoch Charme, obwohl ich noch nicht richtig weiß, worin der besteht. Man gewöhnt sich schnell an den Verkehr, auch wenn man immer
beim Überqueren der breiten Avenuen ins Schwitzen kommt und sich wie ein gejagtes Kaninchen vorkommt.

Nun ja. Ich besuchte jedenfalls als allererstes das Ägyptische Museum um 9 Uhr, wenn es öffnet. Die erste Stunde ging ja, aber als  in Battaillonsstärke
die Besucher reinstürmten – außerordentlich viele Russen, aber auch Deutsche, Italiener, Engländer, Japaner – und man richtig eingekeilt wurde und in allen Sprachen Erklärungen um sich herum hörte, da ergriff ich langsam die Flucht. Außerdem gleicht das Museum eher einem Gemischtwarenladen. Die Objekte gar nicht oder schlecht mit Schreibmaschine beschriftet und in drei Meter Höhe aufgehängt. Es gibt so viele Schätze, dass man mindestens 10 und drei Mal so große Museen brauchte, um alles aufzunehmen. Und täglich kommt mehr dazu. Ich glaube, man erhält einen besseren Überblick mit Büchern und Bibliotheken.

Durch das Zentrum zu flanieren mit dem kundigen Guide Hesham – geboren im Libanon, aber aufgewachsen in Kairo – gefiel mir besser, obwohl das Gedränge mindestens ebenso groß war wie im Museum. Und natürlich konnte ich auch nur einen winzigen Teil der Stadt sehen. Herrlich, unter alten Bäumen in versteckten Cafés oder Restaurants zu sitzen, Heshams Erläuterung zu lauschen zu Statuen und den vielen Prachtbauten, von denen die meisten in allen Stadien des Verfalls waren oder die traditionsreiche deutsche Buchhandlung Lehnert & Landrock zu besuchen, war ein Genuss.

Ein besonders tristes Beispiel unter den Gebäuden war der riesengroße Palast von Champollion d. J., der Vater der Ägyptologie und große Fälscher. Seit Jahren streiten sich das Unterrichts- und das Kulturministerium um das Eigentum, während der Verfall fortschreitet. Wir sahen auch „Yacoubians hus“ (Das Haus des Yacoubian) das durch den Roman mit demselben Namen von Alaa al-Aswany und durch die Verfilmung in der ganzen Welt berühmt wurde.

Architektonisch ist das Zentrum von den Engländern, Franzosen, Italienern und im Westen ausgebildete Ägypter geprägt worden, die dazu beitrugen, dass Kairo in den 20-er und 30-er Jahren des vorigen Jahrhunderts als schönste Stadt der Welt angesehen wurde.
Als der Rest unserer Reisegesellschaft eintraf, begann die eigentliche Reise durch alle großen Oasen der libyschen Wüste in aller Frühe am folgenden Morgen. In einem Minibus durch alle die Schlafstädte Kairos – neue oder im Bau befindliche – weit hinaus in die Wüste bis zur ersten Oase Baharija. In Baharija mussten wir Abschied nehmen von unserer Vorstellung von einer Oase als einem mehr oder minder großen Palmen-Wäldchen mit überschaubarer Bevölkerung. Aber Oasen können riesengroß sein von mehreren hundert Kilometern Länge und 50 km Breite mit hunderttausenden Einwohnern. Natürlich hängen die nicht zusammen, sondern sind getrennt in unterschiedlich große 'Inseln', getrennt durch unfruchtbare Wüstenstreifen.

Oase Baharija und Goldmumien
Wir aßen ein herrliches Mittagessen – ägyptische Küche – in einem ziemlich neuen Motel, das von der Schwedin Anna und ihrem ägyptischen Mann Abed betrieben wird. Dann besuchten wir das Museum mit den berühmten und sehr gut erhaltenen Goldmumien. Manche – auch von Kindern – sind nicht vergoldet, sondern einfach Totenmasken, aber seltsam lebendig. Dann fuhren wir in drei Jeeps zu den 4500 Jahre alten Grabkammern, wo man die Mumien gefunden hatte. Sie liegen 8 m unter der Erde mit einem großen Saal, der in der Mitte von Säulen gestützt wird, und mit kleinen Seitenkammern, wo die Sarkophage aufgestellt sind. An den Wänden gab es Gemälde und Schriften über das Leben und die Taten der Toten. Die sind nicht restauriert worden, sind aber außerordentlich farbenreich und frisch. Man rechnet, dass man weitere tausende Mumien in diesem Gebiet finden wird. Hesham erzählte, dass man im 19. Jahrhundert Schiffsladungen mit Mumien in die USA schickte, um die Lokomotiven damit zu befeuern. US-Kultur!Danach schauten wir uns die kläglichen Reste des Alexander-Tempels an. Fuhren zum Salzsee am Rand der Wüste. Und zum schwer zugänglichen Kastell des englischen Gouverneurs auf dem höchsten Berg weit und breit, von wo er die Oase bestens kontrollieren konnte.

Nach dem Abendessen gab es eine improvisierte musikalische Vorstellung von Abed, unseren Chauffeuren und dem Koch mit Flöte, Saiteninstrumenten, zwei Handtrommeln und Gesang, ein jeden Abend wieder kommendes Ritual.
Am folgenden Morgen wurden die Jeeps mit Matratzen, Brennholz, Wasser und Proviant beladen, der unterwegs immer aufgefüllt wurde. Zuerst fuhren wir auf Asphalt, aber dann ging es schnell offroad in die Schwarze Wüste. Sie hatte den Namen erhalten von den schwarzen Pflanzen- und Muschelversteinerungen, die den Boden bedeckten. An einem steilen Pass mussten alle aussteigen. In früheren Zeiten wurden auf dem Weg Datteln von der Oase Farafra nach Baharija transportiert. Und hier war man gezwungen, alles abzuladen, auf dem Rücken über den Pass zu schleppen und auf der anderen Seite alles wieder aufzuladen.
Versteinerungen in der Schwarzen Wüste
Zwei Stunden später kamen wir zu einer „richtigen“ Oase. Ein kleines Wäldchen aus Akazien und Dattelpalmen und ein paar Kamelen, die davor mit ihren schönen Sätteln im Sand lagen bei einem kleinen Wasser-Bassin, wo wir unsere Füße kühlten. Ein Idyll wie aus einem Märchenbuch. Im Schatten der Bäume aßen wir auf weichen Matten unser Mittagessen, ruhten eine Weile und fuhren dann noch eine Stunde, bevor das Lager aufgeschlagen wurde. Während die Fahrer und der Koch alles in Ordnung brachten, Feuer machten und das Essen anrichteten, konnten wir die Umgebung erforschen. Nach dem Essen, als wir um das Feuer saßen, bekamen wir Besuch von zwei Wüstenfüchsen (Fenneks, die kleinsten aller Wildhunde), die wahrscheinlich von unseren verstreuten Hühnerknochen angelockt worden waren. Sie waren nicht scheu, aber sie bewegten sich so schnell, dass man sie kaum auf dem Bild fangen konnte.

Am nächsten Morgen war ich wie immer der erste auf den Beinen, machte Feuer und setzte Kaffeewasser auf. Nach dem Frühstück fuhren wir los, während die Jungens alles zusammenpackten. Die Schwarze Wüste ging langsam in die Weiße über. Dort stießen wir auf drei exakt kreisrunde 1 m hohe Plattformen (20, 15, 10 m im Durchmesser), die alle an der Seite und oben mit ca. 15 cm dicken roten Platen belegt und ausgekleidet waren mit der Präzision eines Puzzles. In weitem Umkreis gab es keine Spur von roten Steinen. Ich tippte auf Neolithikum. Selbst Wael Abed, Autor und Wüstenexperte, den wir später befragten, hatte nie so etwas gesehen. Aber wir wollten weiterforschen. [Das hat nichts ergeben. Nur ich fand in einer alten National Geographic Bilder einer Expedition in Libyen, wo man ebenfalls kreisrunde steinbelegte Plattformen fand, die aber nicht rot und nicht erhöht waren. Möglicherweise in den Sand gesunken. Aber die hatten auch keine Erklärung.]

Oase Farafra
Das letzte Stück vor Farafra fuhren wir auf einer Landstraße und kamen zur Mittagszeit dort an. Zuerst besuchen wir einen Künstler, der sich selbst sein Traum-Haus gebaut hatte und alle Zimmer in Ausstellungsräume seiner Kunst verwandelt hatte. Ölmalereien, Gouachen, Zeichnungen, Kollagen, Skulpturen, Fresken und Gebrauchsgegenstände. Er war Autodidakt und manche seiner Sachen gefielen mir ausnehmend gut. Danach badeten wir alle in einem großen Bassin, das außerhalb der Ortschaft eine Warmwasserquelle einfasste  und aßen dort auch unser Mittag.

Danach ging es offroad weiter, aber diesmal durch eine Sandwüste. Die Sanddünen mussten immer schräg genommen werden und mit höchster Fahrt, aber trotzdem saßen oft ein oder zwei Fahrzeuge fest. Graben und schieben. Als wir dem Leit-Fahrzeug hinterherjagten, verschwand es urplötzlich vor unseren Augen. Omar konnte einen Meter vor dem Abhang bremsen. Unten stand das andere Auto auf der Nase. Die Teile wurden eingesammelt, ein paar Bleche zurechtgebogen und weiter ging es. Kurz danach schlugen wir unser Lager auf.


Auf einem großen Steinhaufen stießen Eric und ich auf ein paar kleine Vögel, die zur Rotkehlchen- und Steinschmätzerfamilie gehörten. Jede Form von Leben – ob Pflanze oder Tier – verwundert einen jedes Mal aufs Neue. Wie konnten die hier leben? Aber schaut man genauer hin, findet man Tausendfüßler, Fliegen, Mücken und Ameisen. Davon können wohl ein paar wenige Vögel leben und damit auch ein paar kleine Füchse. Noch wunderlicher waren Gazellenspuren, aber niemals haben wir welche gesehen.

Nachdem wir einen steilen, sehr schmalen Pass überwunden haten, konnten wir in der Ferne Dahkla erkennen und kamen ziemlich schnell zum Zentralort El Ksar. Wir besuchten zuerst die Altstadt, die von der Bevölkerung geräumt wurde, um sie renovieren und zu restaurieren und als Kulturzeugnis zu bewahren. Die ganze Stadt ist aus getrockneten Lehmziegeln gebaut, selbst die Moschee. Sehr schmale Gassen und Durchgänge als Schutz vor der Hitze, sorgsam geschnitzte Türrahmen, alte Olivenpressen und Getreidemühlen. Am Abend badeten wir im Schwimmbad des Motels, das auch von einer warmen Quelle gespeist wurde. Gegen den hellen Abendhimmel konnte ich Eulen und Falken erkennen.

Oase Dahkla
Die renovierte Altstadt El Ksar in der Oase Dakhla
Am folgenden Morgen reisten wir sehr früh los. In der kleinen lebhaften Stadt Mut kauften wir Proviant. Kurz bevor wir die große Oase Kharga erreichten, fuhren wir links ab offroad durch die Sandwüste. Nachdem wir mehrere Male festsaßen, erreichten wir um die Mittagszeit die sehr gut erhaltene römische Festung Umm El Dabadib aus dem 3. Jahrhundert. Es gab nur ein Schild, das verbot, sie zu betreten und Artefakte zu sammeln.
 
Die römische Festung Umm El Dabadib - im Vordergrund der Anfang der kleinen Oase
Zu meiner großen Freude entdeckte ich ein Karez, das Hesham für ein römisches Aquadukt hielt. Aber das Karez gab es lange vor der Römerzeit. Damit wurde ich aus den Büchern von Jan Myrdal bekannt, der schrieb, dass sich diese Technik sehr wahrscheinlich vor 2000 Jahren aus China bis in die libysche Wüste verbreitet habe. Ich fand später in den Büchern von Heinrich Barth aus seiner Beschreibung von 1850, dass es selbst mitten in der Sahara Kareze gegeben hat. Noch später fand ich Foggaras auch in Marokko, wie Kareze dort genannt werden (respektive Qanat auf arabisch). Inzwischen hat man auch herausgefunden, dass diese Technik ca. 5000 Jahre alt ist.

Die „Maulwurfhügel“ erstreckten sich in Umm El Dabib vom Gebirge bis zur Oase. Ich folgte dem Karez ca. 3 km bis zum Fuß des Gebirges. Die Brunnen ähnlichen Schächte waren senkrecht in das Felsgestein gehauen worden und standen ziemlich nahe beieinander. Sie wurden tiefer und tiefer, je näher ich dem Berg kam, damit die Wassergeschwindigkeit nicht zu groß wurde, um Geröll mit sich zu führen zu können. Eine technische Meisterleistung. Auch Wael, den wir später zu Rate zogen, wusste davon nichts. Später fiel mir auch ein, dass ich ein Karez auch in Baharija schon gesehen hatte, aber nicht geschaltet habe.


Im kleinen Wäldchen bei der Festung mit gewaltigen blühenden Mimosen – nein, es konnten keine Mimosen sein, weil alle 450 Arten nur Büsche sind mit rosa Blüten und diese waren gelb. Es mussten eine Art Akazie sein. Wir saßen im Schatten und aßen zu Mittag. Hinter dem Wäldchen konnte man nach fast 2000 Jahren immer noch die kleinen Lehmwälle um die Äcker und die Bewässerungsgräben erkennen.

Das Lager wurde in der Nähe aufgeschlagen. Es wurde ein Festessen: Gans. Ich sah wieder Falken. Als wie am Morgen schon vorausgingen, fanden wir schöne Sandrosen. Eva sagte, dass man, wenn man sie jemandem schenke, sagen müsse: Du wirst erreichen, was du willst, wenn du nur Geduld hast. Um 10.30 erreichten wir die Asphaltstraße und dort wartete bereits der Minibus auf uns. Wir nahmen Abschied von unseren Jungens mit Bakschisch und kleinen Geschenken.


Oase Kharga
Kurz darauf kamen wir in den Zentralort der Oase Kharga. Großeinkauf im Soukh, wo es alles gab, von lebenden Schafen, Hühnern, Enten und Tauben bis alle Arten Gemüse und Früchte. Um 15.30 erreichten wir Luxor, das so herrlich auf der rechten Seite des Nils liegt. Eine relativ saubere Stadt und hunderte Pferde-Droschken rollten auf Hochglanz poliert und gummibereift lautlos durch die Straßen – vom Hufgeklapper abgesehen. Auf der Dachterrasse des Hotels aßen wir zu Abend. Und dort trafen wir Hesham alten Freund, den Nubier Soleiman, bei dem wir in Assuan wohnen würden. Der Abend widmeten wir dem großartigen Tempel Karnak.

Luxor

Am folgenden Morgen standen wir zeitig auf, um möglichst als erste im Karnak-Tempel zu sein. Der ist sophantastisch und gigantisch, dass einem die Wort fehlen. Eine Stunde ist gerade zu ein Sakrileg. Man brauchte Tage und Wochen, um alles zu entdecken und alles zu wissen.Allerdings wissen wir noch längst nicht alles – so ist bis heute nicht geklärt, welche Techniken zum Schneiden des Granit und zum Transport der kollossalen Figuren, Obelisken etc. verwendet wurde usw.

Eingang zum Karnak-Tempel
Um 11 Uhr ging der Zug nach Assuan. Das war eine schöne und lehrreiche Fahrt längs des Nil. Überall waren Mensche bei der Arbeit in ihren Gärten – größer waren ihre Felder nicht. Aber die Dörfer sahen kläglich aus. Armut, wohin man schaute. Das grüne Band des Nil veränderte ständig sein Gesicht. Manchmal nur einen Kilometer breit, zuweile unübersehbar. Palmen und herrliche Mangobäume, die der Bauern Grundversorgung darstellen. Sie können die Ernte der Bäume verkaufen und auf diese Weise Geld für ihre wichtigsten Bedürfnisse erhalten.
 
Assuan und erster Katarakt
Um 15 Uhr trafen wir in Assuan ein, wo uns Soleiman in Empfang nahm und direkt zur Fähre zur Insel Elephantine brachte, wo sein Elternhaus steht, das die drei Brüder der einzigen Schwester schenkten. Dort wurden wir mit einem wunderbaren und reichlichen Essen bewirtet.

Nach der Verteilung aller Leute auf die Zimmer bei zwei Familien, setzten wir wieder in die Stadt über und besuchte das Nubische Museum, das wirklich eine Überraschun war. Ein herrlicher Neubau, wo die Sammlungen auf vorbildlich Weise präsentiert wurden. Betörend schöne Skulpturen, Figuren, Bilder und Gegenstände. Und wieder: so wenig Zeit, um sich alles genau anzuschauen.

Nubisches Museum
Am Strand des Nils tranken wir ein Bier und promenierten danach durch den angenehmen und äußerst großen Bazar. Wir aßen wieder üppig und gut in einem ägyptischen Restaurant. Den Kaffee nahmen wir dann auf einem Boots-Restaurant.

Am folgenden Tag fuhren wir zuerst zu dem von den Engländern gebauten Damm oberhalb von Assuan und zu dem riesigen Damm, der 1971 von den Sowjets fertiggestell wurde. 110 m hoch, wovon die Hälfte unter der Erde liegt. Ein imponieredes Bauwerk und Massen an Touristenbussen Und mit allen Problemen, die bis zum heutigen Tag nicht gelöst sind: die Zwangsumsiedlung von mehreren 100 000 Nubiern; die Vernichtung von unschätzbaren Bauten mit allen ihren Kunstwerken; die Verschlammung und Übersättigung mit chemischem Dünger; mangelhafte Ausnutzung der Fischresourcen; beinahe keine Neuanpflanzung von Bäumen an den Ufern des ungeheuer großen Stausees.

Assuan Staudamm
Hesham behauptete, dass es Krokodile im See und weiter oberhalb des Nils gäbe (unterhalb sind sie seit langem alle seit langer Zeit ausgerottet worden). Alle hielten Ausschau und Eric hatte sogar ein Fernglas. Ich scannte systematisch die Oberfläche und entdeckte weit draußen einen Riesen von mindestens 5 – 6 Metern. Alle waren glücklich. Selbst für Hesham war es das erste Mal, dass er eins zu sehen bekam. Und dann entdeckte ich noch einen ungeheuren Schwarm an Störchen.

Schließlich zu dem Steinbruch, der für die Tempel und Pyramiden benutzt wurde. Dort konnten wir einen riesigen Obelisken bewundern, der niemals fertig geschnitten wurde und noch in seinem „Bett“ lag. Man hatte – zu spät – einen Sprung entdeckt. Wir standen da und zerbrachen unsere Köpfe, wie die alten Ägypter sich das gedacht hatten, den viele hundert Tonnen schweren Obelisken aus seinem Bett herauszuhieven und zum Fluss zu bekommen. Aber keiner kam auf einen vernünftigen Vorschlag.

Zurück nach Elephantine. Dort schaute ich lange einem jungen Mann zu, wie er geschickt an seinem Webstuhl arbeitete an einem wahrhaft schönen Tuch mit einem feinen Muster. Ich kaufte auf der Stelle zwei Tücher, die mit Naturstoffen gefärbt waren und schöne nubische Muster hatten.

Nach dem Mittagessen bei Soleiman besuchten wir den botanischen Garten auf der Insel, der seinen Namen nach Kichener erhalten hatte, dem Schlächter von Omdurman (Wo er mit ein paar hundert Mann auf einem Hügel gesessen hatte und mit dem gerade erfundenen Maschinen-Gewehr tausende und aber tausende todesmutig und mit äußerster Tapferkeit ihre Heimat verteidigende Männer der sudanischen Mahdi-Armee niedermähte. Für diese Heldentat wurde er geadelt.)

Mit einem kleinen Motorboot fuhren wir später durch das Wirrwarr großer Steinblöcke und vieler Inseln in dem ersten Katarakt zu einer kleinen Bucht, wo wir alle zusammen ein Bad nahmen, umgeben von vielen Fischreihern, Rohrhühnern, Strandläufern und scharf beobachtet von Wasserbüffeln, Dromedaren und Kamelen, die etwas oberhalb des Strandes weideten. Später fuhren wir hinüber zur anderen Seite zu einem nubischen Freund von Hesham, der dort ein kleines Teehaus hoch über dem Fluss gebaut hatte.

Wieder in Elephantine unternahm ich einen Spaziergang zu dem weiter unterhalb auf der Nordspitze der Insel liegenden Hotel Möwenpick. Das war einfach gesagt. Das Hotel lag abgesperrt vom Rest der Insel hinter einer hohen Mauer. Auf der Westseite konnte ich jedoch über Steine im Wasser in der Rückseite des gewaltigen Hotel-Komplexes gelangen und direkt zu meinem eigentlichen Ziel, der Eisbar. Das hat mit Nostalgie zu tun. Eine Freundin in Zürich hatte mich vor 43 Jahren (heute sind es 51 Jahre her) in das erste Möwenpick genommen mit seiner phatastischen Salatbar, was dazumal völlig unbekannt war.

Ich wollte das Hotel auf der östlichen Seite verlassen vorbei an den großen Bungalow-Neubauten. Aber das war viel schwieriger als auf der Westseite. Hier hatte man die Mauer ein Stück ins Wasser hineingebaut und gewaltige Felsbrocken ins Wasser geworfen, um sie vor dem Hochwasser zu schützen. In der Dunkelheit kroch ich vorsichtig von einem Felsbrocken zum nächsten und vorbei am Stacheldraht-Hindernis, das effektiv verhinderte, dass das Pack in die heiligen Hallen kommen kann.

Nach dem Abendessen begaben wir uns wieder in die Stadt und in ein Boots-Restaurant. Dort hatte Soleiman für uns ein Konzert organisiert, das allmählich in einen „Rundtanz“ überging, an dem auch viele der anderen Gäste im Restaurant teilnahmen. Ein sehr schöner, fröhlicher Abend.

Am nächsten Morgen enterten wir nach einem herzlichen Abschied von unseren Gastgebern eine Falukke, das traditionelle Segelboot auf dem Nil. Der Kapitän, der einen jungen Gehilfen dabei hatte, war ein Verwandter Soleimans. Wir wurden von einem Motorboot eskortiert für den Fall, dass wir in eine Windstille kämen. Auf dem gab es eine Küche und Proviant.

Eine wunderbare Reise. Das stille Kreuzen gegen den Wind, unterbrochen nur vom Brummen der riesigen Ausflugsschiffe, die ebenso leer zurückkamen, wie sie am Abend losgefahren waren. Schöne und meist hellblau bemalte nubische Dörfer lagen auf der linken Seite. Eine ständig wechselnde Landschaft. Die vielen schneeweißen Kuhreiher und gewöhnliche Fischreiher und eine Vielzahl von verschiedenen Wasservögeln. Vereinzelte Fischerboote, die ihr Glück mit kleinen Schleppnetzen probierten.
Falukka im Abendlicht
Das Boot legte an, um Mittag zu essen und dort auch zu übernachten. Wir badeten, bis das Essen fertig war und promenierten auf der Insel, die – offenbar ein beliebter Ausflugsort – reichlich verdreckt war vor allem von Plastik-Tüten, dem Elend für die Welt und vor allem die Ozeane.

Nach dem Essen nahm ich noch ein Bad und auch um 5 Uhr morgens. Um 6 Uhr gab es Frühstück und eine Stunde später fuhren wir mit dem Motorboot hinüber auf die rechte Seite ein Stück flussabwärts zu dem wartenden Minibus, der uns nach Kom Ombo bringen sollte. Dort wurde ein Konvoy von 10 Minibussen zusammengestellt, der mit Polizeieskorte vorne und hinten nach Luxor fuhr. Diese Konvoys sind obligatorisch aus Angst vor Terroristattacken. Um 11.30 Uhr waren wir wieder in unserem alten Hotel.

Um die Mittagszeit setzen wir zum linken Ufer des Nil über und wurden willkommen geheißen von Heshams alten Freund Hamdi. Er, der einst Eselstreiber war, ist heute vielfacher Millionär. Er lud uns zum Essen in seinem großen und schönen Haus ein. Er macht kein Geheimnis aus seiner Herkunft und ist immer noch ein einfacher und freundlicher Mann. Nach dem Essen standen 10 Esel für uns bereit, um uns zum Habu-Tempel zu transportieren (dem Totentempel Sethos I). Große Teile sind zerstört – vor allem die Gesichter der Skulpturen und an Reliefs – aber das, was übrig ist, ist immer noch sehr beeindruckend. Besonders unter dem Dach gibt es noch viele Malereien mit frischen Pastellfarben, als wären sie gestern gemalt. Der Ritt zurück dauerte eine Stunde, was doch etwas Muskelkater verursachte. Auch das Eselreiten muss gelernt sein. Im Hotel ruhten wir eine Weile.

Totentempel des Sethos I
Der Zug nach Kairo sollte um 21.41 Uhr kommen und er kam auch tatsächlich um 21.41 Uhr. Ein herrlicher alter Zug mit Schlafwagen aus den 70-er Jahren in Deutschland. Sehr bequem und toll gefedert. Und alles funktionierte und selbst die Toiletten waren relativ sauber. Gleich nach der Abfahrt wurde das Essen serviert und dann recht bald gebettet. Um Mitternacht legten wir uns hin und zum ersten Mal in meinem Leben schlief ich in einem Zug. Ziemlich lang und wunderbar. Das Frühstück wurde recht früh serviert und um 9 Uhr kamen wir in Giseh an.

Dort wartete bereits ein Minibus, der uns zu den Dahschur Pyramiden brachte – 35 Km in westlicher Richtung. Wir besuchten die Knick- und die Rote Pyramide. Allein die technische Leistung dieser monumentalen Bauwerke vor 4000 Jahren macht einen stumm vor Bewunderung. Die Knickpyramide ist die einzige, die noch zum größten Teil (70 %) mit der ursprünglichen Verkleidung versehen ist, die aus polierten Kalksteinblöcken bestand. Die Pyramiden glänzten und blitzten meilenweit, was ein faszinierender Anblick gewesen sein muss. 

Dashur - die Knick-Pyramide mit dem alten Belag
Zuerst besichtigten wir eine Teppich-Schule, wo junge Menschen lernten, alle Arten Teppiche aus Seide und Wolle zu knüpfen. Danach aßen wir in einem schönen Restaurant, das in einem Garten mit alten Palmen und Mangobäumen, mit Hibiskus und Bougainvilleae gelegen war.

Danach führte uns Hesham zu seinem Künstlerfreund Abu El Naga. Zuerst zu einer Frauenkooperative Behinderter – stumm, taub oder beides – die er mit seiner Frau initiert hatte. Sie stellten Reispapier her und schufen daraus schöne kleine Kunstwerke wie Lampenschirme, Zeichenpapier-Blöcke usw. Der Gewinn ging ausschließlich an die Kooperative. Anschließend besuchten wir Abus Atelier in zwei großen Wohnungen. Ich war nicht sehr beeindruckt, weil ich ähnliche Sachen schon 43 Jahre zuvor in meiner Galerie in der Schweiz gezeigt habe. Aber er ist ein anerkannter Maler, der kürzlich eine Austellung in Falun (Mittelschweden) hatte und der an der Kunstakademie in Kairo unterrichtet. Eva, Erik, Gunnel und Sven kauften ein paar Sachen von ihm.

Am Abend wollte Hesham unbedingt ein Schweizer Restaurant besuchen. Ich nahm einen Nil-Barsch, der tatsächlich ausgezeichnet war.

Um 20 Uhr waren wir bei Abu Al Maghrabi in seinem Kulturzentrum. Er zeigte uns zuerst Teile seiner Video-Dokumentationen von nubischer, ägyptischer, koptischer, religiöser und Zigeunermusik, die er in vielen Jahren gesammelt hat, bevor alles vergessen wird. Das ist wirklich großartig, dass es in so vielen Ländern immer wieder Leute gibt, die solche Aufgaben übernehmen. Die hat es in West-Afrika gegeben, im Balkan, Russland und Schweden und sicher in vielen weiteren Ländern.

Speziell für uns spielten dann in einem schönen, sehr hohen Saal – eine ehemalige Druckerei – vier Musiker Flöte, Saiteninstrument, Handtrommel, begleitet von einer 70-80-jährigen Roma mit wahnsinniger Stimme, unglaublichem Charme und Verve. Wir waren alle völlig hingerissen. Ich und ein paar andere kauften direkt ihre CD. Leider mussten wir nach einer Stunde gehen.

Am 22. Oktober standen wir zeitig auf, um nach Anafora zu fahren, das Hesham etwas vage als eine koptische Gemeinde beschrieben hatte. Wir fuhren 50 km nach Nordwesten auf der Wüstenautobahn, die das schon lange nicht mehr ist. Denn längs der Straße gibt es rechts und links große Plantagen, Äcker, Pflanzungen, Paläste, einfache Hütten und Wohnanlagen für Wohlhabende. Und schließlich bogen wir in eine Pflanzung mit zahlreichen Gebäuden ein. Dort wurden wir von der Schwedin Katja und Thomas – einem koptischen Bischof – begrüßt. Zuerst gab es ein großartiges Früstück, wo das Meiste selbst hergestellt war – u. a. phantastische Marmeladen aus Datteln, Feigen und Hibiskus.
Anafora - ein kleines Paradies


Katja erzählte dann auf der Dachterrasse über das Projekt. Die schwedische Kirche unterstützt die koptische Kirche und auf diese Weise bekam sie Kontakt mit Bischof Thomas. Zusammen entwarfen sie das Projekt und verwirklichten es. Katja hatte zuvor in Tansania gearbeitet und hatte auch Kisuaheli gelernt. Sie kauften mehrere Hektar Land und begannen mit Anpflanzen von Palmen, Oliven, Pfirsichen, Wein und Gemüse. Sie legten sich Hühner, Tauben, Kühe, Schafe und Esel zu. Das Ziel war die Selbstversorgung. Jedermann ist willkommen und kann sich einquartieren in einem der hübschen Bungalows. Man kann meditieren, beten, diskutieren, baden, an der Arbeit teilnehmen – was auch immer oder auch gar nichts. Bezahlen tut man nach Gutdünken. Manche Projekte sind nur zur Hälfte fertig geworden oder ganz aufgegeben. Das große Schwimmbecken ist Teil einer großen Bewässerungsanlage, die aber nur zur Hälfte anwendbar ist. In der anderen Hälfte wollen sie eine Fischzucht anlegen.

Ich traf dort Emilie aus Stockholm, die gekommen war, um dort ein paar Wochen zu arbeiten. Sie ist 26 und studiert Biologie, womit sie bald fertig ist. Sie ist eine schöne Frau mit klugen Ansichten. Sie wurde als Baby aus Sri Lanka adoptiert zusammen mit zwei Geschwistern – alle aus verschiedenen Familien.
Sie berichtete von verschiedenen rassistischen Erlebnissen in Schweden. Obwohl sie natürlich perfekt Schwedisch spricht und sich als Schwedin fühlt, aber die Hautfarbe lässt sich nicht ändern. Ich fragte sie, ob sie Probleme mit der 'Vatersuche' habe. Hatte sie nicht und auch nicht ihre Geschwister. Sie meint, dass das Nonsense sei. Dass es vielleicht entstehen könnte, wenn es große Probleme mit den Adoptiveltern gibt oder allgemeine Probleme in der Pubertät. Sie hat einen Inuit-Freund und beide wollen nach dem Studium eine Weltreise unternehmen.

Hesham fühlte sich nicht gut und ging früh zu Bett. Aber am Morgen war er wieder munter. Es war wohl nur Ermattung gewesen. Ich bewundere seine Geduld. Ich bin auch schon Reiseleiter gewesen und fand den Job immer anstrengend.

Am Abend waren wir in einer koptischen „Gebetsstunde“ in der sehr geräumigen neuen Kirche, die ringsum von Kerzen erleuchtet wurde. Ebenso langweilig wie alle christlichen Gottesdienste. Sehr interessant jedoch war die liturgische Sprache, die sich interessant anhörte und direkt von der alten ägyptischen Sprache herstammt. Doch der Typ, der den Text las, leierte ihn herunter schlimmer wie eine tibetanische Gebetsmühle.

Nach dem Bad im großen Swimmingpool inspizierte ich das große Gelände. Desto weiter ich mich vom Hauptgebäude entfernte, desto näher kam ich Ägypten. Große Teile waren nicht bebaut und mehrere Häuser – selbst ganz neue – wurden nicht benutzt und sahen unbewohnt aus. Und es gab eine ganze Menge Arbeiter, die nicht an der 'Gemeinschaft' teilhatten. Das Übliche also. Ich glaube, wenn der Geldhahn aus Schweden zugedreht wird, dann wird das Projekt schnell zu Ende gehen.

Um 9.30 Uhr fuhren wir los und kamen um 11 Uhr in Kairo an. Wir besuchten die Ibn Tulun Moschee, die älteste in Kairo von 876. Ein schöner, strenger Bau. Danach ging's zum Gregor-Anderson-Museum, bestehend aus zwei alten zusammenhängenden ägyptischen Häusern im Anschluss an eine Moschee, die ein englischer Offizier renovierte und restaurierte und wo er alle seine in der ganzen Welt gesammelten Schätze unterbrachte. Nicht ohne Geschmack. Aber gewiss: Guter Geschmack ist schon immer etwas teurer gewesen.

Danach ein Besuch der Al Azhar Moschee, die viele Um- und Anbauten erlebt hat. Dort saßen große Gruppen von Frauen und – etwas abseits – Männer, die nicht Koranverse auswendig lernten, sondern die Architektur-Studenten waren und dort in den Arkaden ein Seminar hatten. Der riesige Innenhof, umgeben von den unzähligen einfachen Säulen machte auf mich einen besonderen Eindruck.

Zum Abschluss wanderten wir durch den endlosen Soukh. In einem alten ägyptischen Restaurant mit zwei Stockwerken aßen wir zu Mittag, das gut aber nicht besonders billig war. Dann ruhten wir uns im Hotel etwas aus.

Am Abend gingen wir in ein kleines Restaurant, das nur ein einziges Gericht hatte, eine ägyptische Spezialität: gefüllte Tauben. Die Füllung empfand ich nicht als besonders raffiniert.

Den Kaffee nahmen wir in einer kleinen Fußgängerpassage ein, wo ich schon zu Anfang mit Hesham gewesen war. Nebenan malte ein alter Mann mit seinem Gesellen den unteren Teil der Hausfassade und das dazugehörende schöne Schmiedegitter an. Die pfiffen auf solche Dummheiten wie Abwaschen und Schmirgeln, sondern malten einfach drauf los.

Freitag, der 24. Oktober war der letzte Reisetag und der begann mit dem Besuch der Stadt der Müllsammler, die alle Kopten sind – nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen und Kinder. Sie wurden von Nasser aus der Stadt an den Rand verwiesen, der jetzt aber ebenfalls Zentrum ist. Dort sieht man die wirkliche Armut. Durch enge und nicht besonders gut riechende Gassen den Berg hinauf zum Heiligtum der Kopten: zwei gewaltige Kirchen, die direkt in den Berg gehauen wurden. Die erste gleicht einer offenen Grotte mit Platz für mindestens 10000 Personen. Die andere liegt im Bergesinneren und bietet auch Platz für mehrere tausend Leute. Überall an den Wänden – oft weit oben – gibt es naive Fresken und Reliefs – in hellen, leuchtenden Farben gemalt. In der ersten fand ein Gottesdienst statt, wo der Priester arabisch sprach. Aber dort gab es nur ein paar hundert Besucher.

Hätte man diese Energie und diesen Fleiß auf die Stadt verwandt, würden die Menschen heute unter viel besseren und viel hygienischeren Verhältnissen leben.


In das koptische Museum ging ich nicht mit. Ich zog es vor, mir lieber die schönen alten Fotografien der Stadt und Ägyptens anzuschauen, die in Gallerien und Buchhandlungen zu sehen waren.

Nach dem Mittagessen trafen wir im Hilton die bekannte ägyptische Journalistin und Chefin vom al Ahram Weekly Mona Anis. Eine charmante, intelligente und angenehme Frau, die über ihren Job berichtete. Al Ahram – Ägyptens und der arabischen Welt größte Zeitung – ist völlig in der Hand der Regierung, aber in der englischen Ausgabe werden die Zügel etwas lockerer gelassen, so dass sie relativ frei ist und publizieren kann, was sie will. Allerdings ist seit einiger Zeit die Qualität stark gesunken, weil mehrere Redakteure gegangen sind. Edward Saïd ist tot und Samir Amin schreibt auf Französisch und sie hat niemanden, der seine Sachen übersetzen kann. Sie sieht für die englische Ausgabe keine Zukunft und will vorzeitig in Pension gehen, um schreiben zu können.

Dann schauten wir uns die gut sortierte ägyptische Buchhandlung Diwan an, wo ich zwei Taschenbücher von Nagib Mahfuz erwarb, der zwei Jahre zuvor verstorben war. Er war der erste Araber, der 1988 den Nobelpreis erhielt. 1994 war er von islamistischen Fanatikern mit dem Messer angegriffen worden, überlebte, aber schwer verletzt. Er war ein ungemein sympathischer und ein herzensguter Mensch.

Zum Abschluss der Reise besuchten wir Wael Abed zuhause in seiner riesigen Wohnung, die sich eigentlich über die gesamte Etage erstreckte. Sie war mit erlesenem Geschmack eingerichtet. Wunderbare ägyptische Bilder an den Wänden. Er kam mit seiner entzückenden Frau – zur Hälfte Jordanierin und zur Hälfte Tschechin – gerade aus der Oase Dahkla zurück. Dort hat er innerhalb eines Jahres und dreier Monate ein einzigartiges Luxushotel erbaut. Mit vielen einzelnen Bungalows – alle auf andere Art eingerichtet – mit Spa (Wellness-Einrichtungen) und Schwimmbad, Sportanlagen, Möglichkeiten für Safaris mit Auto oder Kamel. Alle Gebäude wurden von ägyptischen Architekten mit heimischen Materialien und in Anlehnung an alte Bauweisen errichtet worden.
Mit dem Profit sollten Milieu-Projekte in Gang gebracht werden. Sie habem bereits alle Bewohner mit Augenkrankheiten behandeln lassen, haben Schulen eingerichtet und das gesamte Personal stammt aus der Oase. Ihr könnt euch das hier alles genau anschauen und auch gleich buchen, wer das nötige Kleingeld hat. Und wenn ihr ankommt, bitte Grüße von mir bestellen!

Er zeigte uns auch Fotos von den neu entdeckten Wandmalereien, die weit draußen in der Wüste gefunden wurden. Phantastisch und die größten in ganz Afrika. Wir erzählten von unseren Entdeckungen, den Plattformen und den Karezen, die er nicht kannte. Er wollte Rat einholen.

Am folgenden Tag reisten die letzten Leute noch ein paar Tage nach Alexandria. Ich lud Hesham zum Essen ein, bummelten dann noch ein wenig durch die Stadt und fuhren dann zusammen zum Flugplatz in Kairos ältestem Taxi. Wir hatten zufällig denselben Flug nach Zürich und Kopenhagen.

Irgendwann auf der Reise kam ich darauf, worin für mich die Faszination der ägyptischen Tempel und Pyramiden besteht. Es ist ja nicht nur, dass der Mensch aus Afrika kommt und sich vom Riftvalley in Ostafrika über die ganze Welt ausgebreitet hat. Und es ist nicht nur, dass der Mensch im Tal des Nils die erste Hochkultur schuf bis hinauf in das Delta, den Nahen Osten und bis zum Schwarzen Meer. Eine Kultur mit den typisch afrikanischen matriarchalischen Zügen. Und auch nicht, dass dieser Mensch die ersten Schriften schuf, nicht eine sondern gleich mehrere (die elegante Schrift aus Meroë ist immer noch nicht entziffert worden).

Die Schönheit und das Einzigartige der Tempel und Pyramiden ist in meinen Augen nicht nur die architektonische Vollendung und Monumentalität, sondern vor allem der dahinter liegende Geist, der nicht das Menschenopfer kannte und diese Bauten nicht mit Sklaven-Arbeit schuf (wie wir noch in der Schule lernten), sondern auf freiwilliger und gemeinschaftlicher Basis. Man erbaute hier eine Gesellschaft mit einer ausgeklügelten staatlichen Ordnung, Verwaltung und Rechtsordnung, wo die Frau eine Stellung innehatte, die sie bis heute erst wieder in Teilen der Welt erreicht hat. Schaut euch nur all die Skulpturen an, wo die Pharaonen immer mit ihren Frauen an ihrer Seite sitze, die liebevoll die Arme umeinanderlegten, ganz abgesehen von den weiblichen Pharaonen. Eine schwarze Kultur und Gesellschaft, in der man die Schönheit des menschlichen Körpers schätzte und vor allem des weiblichen Körpers. Wo man religiöse Bauten schuf mit Meisterwerken der Malerei, Skulptur, Fresken, Reliefs, wo man Musik und Tanz pflegte, wo man Spitzenleistungen in Philosophe, Dichtkunst, Physik, Mathematik, Astronomie erzielte – kurz gesagt in allen Wissenschaften. Wo damals nur als Gelehrter galt, wenn er in Ägypten studiert hatte. Und wo in den Tempeln nicht nur religiöse Kunst erlaubt wurde, wie fast überall in der Welt. Außerdem wurden diese Bauten praktisch auch wahre Geschichtsbücher, wo man das gesamte Spektrum des ägyptischen Lebens darstellte. Daher wissen wir heute ganz genau, wie die ägyptische Agrikultur funktionierte, die Herstellung von Dutzenden unterschiedlichen Broten, von Textilien, Papier, Kupfer, Eisen, Gold, Schmiedearbeiten usw. Etwas Ähnliches gibt es nirgendwo anders.

Und diese Kultur musste am Ende der rohen Gewalt der Barbaren weichen, die ständig in Ägypten einfielen und tausende Jahre lang wieder und wieder besiegt wurden – nur nicht beim letzten Mal.

3 Kommentare:

  1. Die Zukunft der Bagdadbahnländer

    Ich hatte in diesem Frühling auf einer Reise in Nord-Syrien und im oberen Mesopotamien, die gerade mit dem beginn der Bauarbeiten auf dem neuen Abschnitt bei Aleppo zusammenfiel, Gelegenheit, wieder ein Stück der für Deutschland und die internationale Politik so wichtigen Bagdadbahnfrage an Ort und Stelle zu studieren. Nach zwei Richtungen hin war eine Änderung gegen die Zeit vor zehn Jahren, als ich zum letzten Male am Euphrat war, nicht zu verkennen.

    [...]

    http://kunstmuseum-hamburg.de/die-zukunft-der-bagdadbahnlaender/

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    1. Das ist zwar auch recht interessant, was du hier berichtest, aber was hat das eigentlich mit Ägypten zu tun? Außerdem ist diese Kultur das genaue Gegenteil der ägyptischen, die besonderen Wert auf KULTUR legte und nicht auf Eroberungskriege und Unterwerfung fremder Völker in typischer patriarchalischer Macho-Manier.

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  2. Danke fuer diesen wunderbaren Reisebericht

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